Es gibt ein altes jiddisches Lied, ich spreche es bestimmt falsch aus, Tsen brider zaynen mir gevezn, Hobn mir gehandlt mit layn, Eyner iz geshtorbn, Iz geblibn nayn. In jeder Strophe stirbt dann ein Bruder und das endet mit Eyn bruder bin ikh mir gevezn, Hob ikh gehandlt mit likht, Shtarbn tu ikh yedn tog, Vayl esn hob ikh nisht. Sterben tu ich jeden Tag, Weil Essen hab ich nicht. Ich habe gelesen, dass das Lied auch im KZ gesungen wurde, es ergab sich ein Wortspiel, Gas als Gasse, Straße und auf Deutsch dann die Gaskammer, Shpilt zhe mir a lidl, Oyfn mitn gas!
Das Lied, also das Motiv an sich ist ja bekannt, und hier singen es Juden über sich selbst, und sie sterben ruhig nacheinander, aus Hunger, nichts Spektakuläres, es ist so sanft und demütig und gleichzeitig ein klein wenig komisch, wie der Letzte dann dasteht, sich selbst sein eigener Bruder bleibt. Das eigene Sterben kann nämlich komisch sein, wie sonst soll man damit klarkommen und nicht verrückt werden, da ist etwas sehr Weises dran, etwas Wichtiges, ich komme nur nicht ganz dahinter. Und was sie alles verkaufen, Leinen, Rüben, Gebäck, sogar Licht, Kerzen oder so wahrscheinlich, und das Sterben bleibt, сапожник без сапог, ein Schuster ohne Schuhe, sie verkaufen Essen und verhungern dabei.