Es gibt ein altes jiddisches Lied, ich spreche es bestimmt falsch aus, Tsen brider zaynen mir gevezn, Hobn mir gehandlt mit layn, Eyner iz geshtorbn, Iz geblibn nayn.
Ungern gebe ich Schriftsteller als Beruf an, es löst Fragen aus, die ich nicht beantworten mag, mündet in Floskeln und ich weiß eigentlich immer noch nicht, was die Bedingungen sind.
Wer Tagebuch schreibt, kennt vielleicht diese Lücken, die sich ausgerechnet dann auftun, wenn es einem gut geht und man viel erlebt. Das Reflektieren bleibt den Zeiten vorbehalten, in denen weniger los ist. Dadurch bleiben die schönsten Momente oft undokumentiert.
Ich erreiche Stuttgart am Abend. Starkregen und Hagel brachten den Verkehr auf der Autobahn zum Erliegen – düstere Vorboten für den Mai. Im Züblin-Parkhaus brennt schon Licht. Ich finde eine Lücke und stelle den Motor ab. Beim Hinausschleppen der Koffer wird mir klar, dass ich in einer Ausstellung bin: Fumes and Perfumes. Ich atme die Parkhausluft ein und verstehe den Titel.
Eine kleine Heldin, ein bisschen Romantik, eine Portion Glück, dazu eine Handvoll Humor und zum Schluss wird alles gut.
Da sag ich nur: Vorhang zu und alle Fragen offen.
Ein paar Wochen habe ich hier nichts von mir hören lassen, und meine sehr gute Ausrede ist, dass ich wahnsinnig viel gearbeitet habe. Das Lektorat ist fertig, das Korrektorat auch, seit gestern ist Buch 2 im Satz.
Ich bin zuhause gewesen, also in Leipzig, für ein paar Tage, um einmal durchzuschlafen und die sozialen Batterien aufzuladen und zu meinem eigenen Erstaunen habe ich mich darauf gefreut, wieder nach Stuttgart zu kommen.
Eine der Sachen, die mir an Aufenthaltsstipendien am besten gefallen, ist, dass man, also ich jedenfalls, vorher immer alles erledigt. Beinahe zwanghaft wird alles abgearbeitet, wie es sonst so gar nicht meine Art ist.
Ich habe kürzlich einen Artikel gelesen, in dem es darum ging, dass das Wiesn-Outfit bei den Schuhen aufhört. Deshalb muss ich, während ich über den Wasen laufe, immer auf die Füße der Menschen schauen.
John Sauters Sicht auf das Schriftstellerhaus "Dieses Haus lebt, es ist kein Ort, wie so viele andere Institutionen, der zwischen den großen Events verwaist, nein, hier ist immer jemand da, immer was los, Literatur wird sozusagen gelebt."
Bussi für John vom Haus!
Ganz klar, John Sauter mag es nicht so auf dem Land, besser gesagt, in einer ruhigen Umgebung schreiben. Er braucht Lärm, Musik, Rhythmus - dürfen auch mal Presslufthämmer dabei sein. Schreiben in dem Rhythmus der Stadt. Im Schriftstellerhaus also genau richtig.
John Sauter ist ein unerbittlicher Protokollant des nächtlichen Treibens vor seinem Fenster zum Hof. Wenn die Bäcker nicht so verdammt lecker riechende Dinge produzieren würden, wenn ihr Musikgeschmack ein anderer wäre....? Aber egal: das Hirn arbeitet trotzdem auf Hochtouren beim Bäckersound.
Stipendiat John Sauter, alias Johnny Katharsis schreibt in seinem Blogbeitrag:
"Stuggi, du bist zwar nicht meine Lieblingsstadt geworden, aber einen kleinen Platz in meinem Herzen, haste jetzt. Kussi."
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