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John Sauter: “Schreiben in der Stadt versus Tippeln in der Pampa”

Stadt-Residenzen © John Sauter
Stadt-Residenzen © John Sauter

Seit Jahren versuche ich meinen Sommer möglichst in Residenzen, mit Projekten oder längeren Reisen zu verplanen. Warum? Weil ich im Sommerloch weniger Lesetermine habe und das auch auf andere Bereiche zutrifft (man schlage mal die Zeitung auf und vergleiche das mit anderen Zeitfenstern im Jahr, jaja, the Sommerloch is real). Bis jetzt habe ich meine Residenzen tatsächlich vorwiegend auf dem Land verbracht. Mit Absicht. Die Villen, Kirchgemeinde-Zimmer usw. lagen sehr authentisch weit, weit draußen. Wenn ich Glück hatte, gab es eine S-Bahn-Haltestelle und ich dachte, das ist gut so. Diese Abgeschiedenheit, weit weg vom Trubel der Stadt, endlich durchatmen, klar denken, wie die Luft hier draußen und die Flüsse, und die bla bla bla. Butter bei de Dorffischis, Kollegis. Ich habe (für mich) rausgefunden, dass ich in der Stadt viel besser schreibe. Und Stuttgart ist eine Stadt, Gott sei Dank (selbst Schuld, wer die kleinen Dorfwitzeleien zu ernst nimmt). Ich mach das Fenster auf und höre das Rappeln der U-Bahn, die exorbitant laute Streiterei eines Teeniepärchens, die Geschäftsabwicklung eines Kapuzenmenschens auf der Rumhängtreppe, die sich warmsaufenden Mittzwanziger am Club vis-à-vis, die wilde Kreuzung links, die wilde Kreuzung rechts, und hinten im Hof schnattern die Friseure ihren Feierabend klein bei Zigarette und Flachmann, während in der Kneipe unten nebenan die Töpfe klappern. Alles gleichzeitig, und ich kann denken.

Wie mich die Stille in der Pampa nervt, wenn sie sich über Wochen erstreckt (paar Tage wärn ja okay). Ich bin echt kein Urlaubsmensch. Meinem Verleger habe ich neulich mitgeteilt, dass ich den Text erst am Montag bearbeiten kann. Es war Freitag und ich hatte mir gerade eine Pause verschrieben, als sein Anruf kam. Vier Stunden später hatte er den durchgesehenen, kommentierten und bearbeiteten Text im Posteingang. Wie, watt, Pause?

Was soll dieses monatelange auf dem Land Rumgurken und die Gedanken schweifen lassen. Welche Gedanken kommen denn da? Ich kenne ein paar Bücher, bei denen ich weiß, dass sie so entstanden sind. Ich. Möchte. Diese. Deepen. Landgedanken. Nicht. Ich will Pushs, rausgehen, die Kneipen austrinken und dann zack zack aufs Papier. Jaja, Freundis, ich spreche nur für mich. Jede*r kann das gern anders machen. Und in, ähm, Klausur gehen. Aber die nächste Residenz mache ich ganz sicher wieder in der Stadt.