Stuttgart im Sommer ist gar nicht so schlimm. Man sagte mir, es sei heiß und schwül und etwas fad und und. Stimmt alles. Dafür ist jeden Tag ein Fest. Man muss nur suchen. Außerdem kommen einen Leute im Schriftstellerhaus besuchen (Journalisten meist). Gut, ich spreche von mir, also schwenken wir doch gleich auf die Ich-Form. Ich, John Sauter, wohne derzeit im Schriftstellerhaus, es liegt am Charlottenplatz. Da hupen die Autos in einem Ton an dieser unseligen Kreuzung; gibt es Fahrradwege in Stuggi?, vielleicht, gibt es Klimakleber*innen in Stuggi? Auf jeden Fall gibt es Literatur in Stugg, auch, definitv gibt es Hügel, Berge, Trams, die so tun, als wären sie U-Bahnen und es gibt keine Seen und es gibt Weinfeste, Bierfeste, Musikfeste, Tanzfeste, Bratwurstfeste, Backfeste, ach ja, da ist ein Bäcker, direkt hinter meiner Schriftstellerwohnung, der backt jede Nacht von Null Uhr bis in den Morgen so gegen 8. Woher ich weiß, dass er das tut? Weil die Belegschaft während der Schicht volle Pulle Radio hört, all night long, meistens das Beste aus den Achtzigern und Neunzigern. Mein Sozialexperiment den Sommer über, während ich an einem neuem Album, dem neuen Gedichtband und dem Roman arbeite, ist also, kann ich den Bäckergesang in meinen Vibe integrieren? Wird es nach einer Zeit so sein, dass ich diesen Sound mehr vermisse und er mich weniger stört? Alles eine Frage des Verhältnisses.
Stuttgart halt, schönes Ding, kannte ich bis jetzt nur aus Massive Töne Songs, kein Scheiß, aber das, was die damals gerappt haben, scheint alles zu stimmen, das spricht sehr für die Massiven und ein bisschen für die Stadt. Eine Freundin, die mich besucht, sagt, schön hier, wenn man nicht bleiben muss. Sie meint, wenn man auf absehbare Zeit wieder wegkann. Ein Dozent, der hier geboren ist, und den ich vom Literaturinstitut Leipzig kenne, sagt sogar, eh das ist ein Dorf geworden. Mmh, mag sein, aber ich bin ja im Dorf groß geworden, und diese ganzen Eigenheime, die sich die Berge hochziehen, cute auch.
So Stuttgart jedenfalls, ich werde wiederkommen, oder zumindest weiß ich jetzt, dass, wenn ich mal nen Zwischenstopp habe, da Enten und Gänse gleich in Bahnhofnähe rumquaken. Federvieh regiert den Bordstein gleich vor dem Landtag, spricht für die Stadt, ein paar schmutzige Ecken habe ich auch gesucht, und na-na-na, sein wir ehrlich, nicht gefunden, den 21er-Streit habe ich jetzt aber auch begriffen und den Slang vor Ort immer noch nicht lieben gelernt.
Des Weiteren begriffen, warum Porsches so gebaut sind, wie sie sind, damit sie die Hügel hochdüsen können in kurzen Übersetzungen. Und als ich mal etwas verballert durch ein Haftbefehlkonzert schwebe, wird Stuttgart, sogar vor Heidelberg zur musikalischen Wiege ausgerufen. Wenn das Torch hört. Der spricht derweil in der Tagesschau vom Weltkulturerbe. Naja, naja, warum nicht.
Im Herbst werde ich meinen ersten Workshop geben mit Bezug zum Schreiben. Vor einem Jahr habe ich besagtem, in Stuttgart geborenen Uni-Dozenten und Lyriker noch gesagt, dass ich niemals diese blöden Workshops und Seminare halten werde (voll uncool, ey). Da wusste ich aber auch noch nicht, dass ich mal einen ganzen Sommer in Stuttgart verbringen werde und so schließt sich der Kreis.
Stuggi, du bist zwar nicht meine Lieblingsstadt geworden, aber einen kleinen Platz in meinem Herzen, haste jetzt. Kussi.