Empathie
Zunächst, in der Nähe, wie sicherlich viele vor mir bereits bemerkten – nachts, die Geräusche von Kellen auf Backblechen, Öfen, der Geruch von heißem Teig aus der Bäckerei nebenan durch die Schlafzimmerfenster. Am ersten Tag reiße ich die Fenster auf, um ihn in die Wohnung zu bitten. Er wird mich freundlich begleiten, mir vertraut werden. Zur anderen Seite des Hauses fröhliche Passanten, Schlenderer, Flaneusen auf der Straße bis in die tiefe Nacht, beruhigend. Über die Straße, wenige Schritte entfernt, die Gemeinschaftspraxis, Zahnärzte, von Sonnenaufgang bis Untergang, so nah, dass ich in die aufgerissenen Münder hineinblicken kann, von Zeit zu Zeit mich selbst für einen Patienten halte, wenn die Empathie zu groß gerät. Haben darüber bereits viele geschrieben? Zumindest weiß ich, dass es im Roman von Michael Wildenhain einen Platz gefunden hat.
Bald der erste Ausflug zur Vernissage nach Böblingen, wo Katrin Jobe mit ihrem Lebensgefährten eine Galerie am Marktplatz betreibt – „Schacher 2 – Raum für Kunst und Poesie“. Fühle mich dort nur kurz ein wenig verloren, weil ich niemanden kenne, komme dann ins Gespräch mit Katrins lieben Kindern und erinnere mich daran, dass ich aufhören kann, erwachsen herumzustehen und einfach die Ausstellungsstücke anschauen könnte. Weiterhin also eine einfachere Bindung zu Kindern als zu Erwachsenen, was mich froh macht.
Korkenwesen united
Marcus Gwiasda heißt der Künstler, seine Ausstellung „Korkenwesen united“. Er hat aus Kessler-Sektkorken und Drähten über mehrere Jahre kleine Figuren gemacht, die sein jeweiliges Gefühl in diesen Situationen repräsentieren. Sie gefallen mir und machen mich endlich gänzlich entspannt. Nach der Ausstellung nette Gespräche mit dem Künstler und weiteren Gästen, darunter seine Lebensgefährtin und ihre Freundin, die nachdem sie erfährt, dass ich ein Autor bin, erwähnt, Cousine von Henning Ahrens zu sein. Ein unerwartet schönes Gespräch. Ich hoffe, ich werde diese Menschen wiedersehen. Ob es weitere Ausstellungen während Corona geben wird? Als es vorbei ist, sprechen mich auf dem Weg zum Bahnhof andere Ausstellungsgäste an. Wir finden ein noch offenes Lokal in Böblingen und verbringen gemeinsam einen schönen Abend.