Am 4. und 5. Oktober stellten zwei bekannte Autor:innen des Verlags Kröner Edition Kloepfer ihre jüngst veröffentlichten Bücher vor.
Christine Lehmann, erfolgreiche Krimi-Autorin, Redakteurin, Bloggerin und Gemeinderätin der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat, trat mit einem sehr persönlichen, wenngleich fiktionalisierten Buch am 4. Oktober im Hospitalhof vor die Zuhörer:innen. „Und jetzt ist Schluss“ hat Lehmann ihr Buch überschrieben, das sich mit dem Leben ihrer verstorbenen Mutter beschäftigt. Vor wenigen Tagen ist es im Verlag Kröner Edition Kloepfer erschienen. Erzählt wird aus der Perspektive der Mutter auf dem Totenbett. Ein ungewöhnlicher Zugang. Das Leben von Ruth Winkler, so durften wir erfahren, ist ein „gewöhnliches Frauenleben“ in seiner „ganzen traurig-schönen, oft skurrilen, überaus spannenden Pracht“. Ein Frauenleben, das sowohl in der ehemaligen DDR als auch in West-Deutschland gelebt wurde. Im überwiegenden Teil übrigens mit Ehemann und Kindern in Stuttgart.
Was für ein großes Glück, dass Christine Lehmann auf einen ungeheuren Fundus an Briefen, Notizen, ja Einkaufszetteln und Belegen zurückgreifen konnte, den sie durchstöberte und in einen spannend zu lesenden Lebensbogen formte. Die Nachrichtenredakteurin Lehmann, die im Rahmen ihrer Arbeit, aber auch für ihre sonstigen Bücher intensiv recherchieren muss, scheute diese immense Arbeit im Detail nicht. „Und jetzt ist Schluss“ mag zwar der Titel sein, aber für die Leserin, den Leser dürfte es ein Genuss sein, mit der Lektüre erstmal anzufangen und den Zeugnissen eines Lebens zu folgen. Man muss nicht berühmt sein, um ein erfülltes Leben zu haben. Wieder einmal ist das Private politisch.
Nur einen Abend später stellte Joachim Zelter seinen neuen Roman „Professor Lear“, ebenfalls bei Kröner Edition Klöpfer erschienen, in Tübingen vor.
Der Endpunkt im Leben des Professors Eiger ist zunächst in gewisser Weise seine Verabschiedung, bei der viel Polit- und Kulturprominenz anwesend ist, um dem „Geistesriesen“, der „Eiger Nordwand“ unter den Philosophen zu huldigen. Thema des schmalen Romans ist jedoch nicht die Geschwindigkeit, mit der auch Geistesgrößen oder Künstler in Vergessenheit geraten, sondern was es bedeuten mag, allmählich nicht mehr so denken und zu formulieren vermag wie vor dem Ruhestand. Daran ist nicht das schnelle Vergessen der Anderen schuld, sondern das Vergessen als schnell fortschreitender Verfall des Philosophen selbst. Zelter, der famoser Wortsprechkünstler, dessen Lesungen immer in den Bann schlagen, hat in diesem Buch auf anrührende Weise das Zarte, Verletzliche eines Menschen zum Vorschein und zum Klingen gebracht. War anfangs die Enkelin Cornelie Zielscheibe des sie zu geistigen Leistungen treibenden, ja sie quälenden Großvaters Eiger gewesen, dessen sie sich aber konsequent widersetzt, so ist sie es, die dem Verfall mit Anteilnahme und Verständnis sowie einer großen Portion Geduld begegnet und ein rührendes Bündnis mit ihrem Großvater schließt.
Natürlich denkt man in Tübingen, dem Wohnort von Zelter, gleich an das Schicksal von Walter Jens, der im Alter ebenfalls an Demenz erkrankte. Davon ist auch Zelters Roman inspiriert ohne im Mindesten eine Krankengeschichte zu sein. Der Roman ist die Ausarbeitung eines Theaterstücks von Zelter aus dem Jahr 2010. Zerfall zu formulieren, ohne dass er einfach nur behauptet wird, ist eine große behutsame Kunst, von der man sich an diesem Abend überzeugen konnte.
Auch der langjährige Verleger Hubert Klöpfer war anwesend und überreichte „seinem“ Autor eine Flasche Rotwein aus dem Jahr, in dem die Zusammenarbeit der beiden begann: 2002. AB