Drei Monate sind verflogen. Noch ein bisschen Neujahrskonfetti und dann sage ich Stuttgart auf Wiedersehen. Ein paar Tage werden die Räume allein sein, kurz atmen. Vielleicht sind sie froh, dass ich weg bin, ich war zu unmöglichen Zeiten wach. Lieber Mensch, der du nach mir in die kleine Dachgeschosswohnung im Schriftstellerhaus ziehen wirst: In der Nachbarschaft gibt es Kaffee in den Geschmacksstufen ganz wunderbar bis völlig grotesk. Ich will dir den Spaß nicht verderben, finde es selbst heraus. Eine Verkäuferin in einem Laden um die Ecke hielt mich für eine zahnmedizinische Angestellte aus dem Hochhaus nebenan, sie habe mich doch schließlich schon ein paar Mal gesehen. Ich habe den Moment verpasst sie zu korrigieren. Unvorbereitet bin ich manchmal schrecklich langsam. Und so hat sie mir immer öfter einen ruhigen Arbeitstag gewünscht, und ich habe dankbar genickt. Elfriede Jelinek hat gesagt, Schreiben ist wie Kotzen müssen. Vielleicht ist Schreiben dann auch gewissermaßen wie Zähneziehen. Geh und schau dir Otto Dix an, nimm dir Zeit eine Weile dazusitzen und zu schauen, bis die Augen zurückschauen, es lohnt. Wenn es nicht so kalt ist, lass das Fenster im Wohnzimmer auf Kipp, oft spielen Leute unten in der U-Bahn-Haltestelle auf dem öffentlichen Klavier, manchmal mitten in der Nacht, und viel zu gut wie diese Uhrzeit. Ich habe einen Töpferkurs gemacht, war bei einem Chorabend, habe mich aber nicht getraut so richtig loszuschmettern. Ich bin viel umher gelaufen, habe die Gänse im Schlosspark eine Weile für riesige Enten gehalten, habe viel geschrieben. Stuttgart war freundlich zu mir und das ist es bestimmt auch zu dir. Enjoy! Und PS: Herzlichen Dank an das Team des Schriftstellerhauses, das stets ein offenes Ohr für mich hatte, mit Rat, Tat und manchmal auch dem fehlenden Bügeleisen unter dem Arm.
Alles hat ein Ende..
Drei Monate in Stuttgart: nächtliche Klavierklänge aus der U-Bahn, Gänse im Schlosspark, Schreiben zwischen Dachgeschoss & Otto Dix. Ein leiser Abschied aus dem Schriftstellerhaus. Adieu, Byebye, auf bald.
Vorheriger Artikel
Ähnliche Beiträge
Lena Schätte
Lena Schätte (* in Lüdenscheid) ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie wurde mit dem Roman "Das Schwarz an den Händen meines Vaters" bekannt. Für den Prosatext Schnapstage erhielt sie 2024 den W.-G.-Sebald-Literaturpreis. Lena Schätte ist im Herbst 2025 Stipendiatin im Stuttgarter Schriftstellerhaus.


