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ChatGPT – ein Praxisabend für Autor:innen mit Wolfgang Tischer

Foto: Susanne Martin
Foto: Susanne Martin

ChatGPT, ein Chatbot, der künstliche Intelligenz nutzt, um mit Nutzern über textbasierte Nachrichten und Bilder zu kommunizieren, produziert gelegentlich erstaunlich gute Texte. Alle reden darüber, aber technische Innovationen sind immer auch mit Unwissenheit und Ängsten verbunden.  Speziell für die „schreibende Zunft“ tauchen folgende Fragen auf: Welche ethischen und moralischen Standards gibt es, werden Autor:innen womöglich irgendwann überflüssig sein und was ist eigentlich mit dem Urheberrecht?

Diese Fragen haben das Schriftstellerhaus in Kooperation mit dem Hospitalhof bewogen, einen Abend anzubieten, der die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des viel diskutierten Programms aufzeigen sollte. Das zahlreich erschienene Publikum zeigte das große Interesse an dem Thema.

Mit unserem Vorstandsmitglied Wolfgang Tischer und Herausgeber des Literaturcafe.de erläuterte ein profunder Kenner die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technik in Bezug auf das Generieren verschiedenster Texte bis hin zur Literatur.

Ein Blick zurück

Foto: Susanne Martin
Foto: Susanne Martin

Computer und künstliche Intelligenzen faszinieren nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Autor:innen seit langem. So schrieb Roald Dahl bereits 1948 eine Kurzgeschichte mit dem Titel „The Great Automatic Grammatizator“ (in der deutschen Ausgabe von „Noch ein Küsschen“ enthalten). Wie so ein schreibender Computer aussehen könnte, hatte sich Wolfgang Tischer von einer Grafik – KI zeichnen lassen.

Auch der amerikanische Wissenschaftler Joseph Weizenbaum konstruierte bereits 1966 ein Chat-Programm namens Eliza, das ähnlich wie ein Psychotherapeut Fragen beantworten und ein Gespräch simulieren konnte. Damals war allerdings sofort erkennbar, dass hier eine Maschine und kein Mensch auf Fragen antwortet – heute ist der klare Unterschied nicht mehr so ohne weiteres zu erkennen.

Möglichkeiten und Grenzen von ChatGPT

Zu Beginn des Abends bat Wolfgang Tischer ChatGPT, ihn dem geneigten Publikum vorzustellen. Mit verblüffender Geschwindigkeit erschien eine erstaunlich zutreffende Kurzvorstellung unseres Referenten auf der Leinwand. Auch auf die Frage, womit er sich denn bei schlechtem Wetter beschäftigen solle, machte die KI kreative Vorschläge vom Bücherlesen über Musikhören, Kochen bis hin zum Aufräumen, die abgeschlossen wurden von dem freundlichen Ratschlag, das Beste aus dem Tag zu machen.

Während diese Aufgaben vergleichsweise leicht auf Sinn und Richtigkeit überprüft werden können, warnte Wolfgang Tischer davor, der KI in Sachfragen voll zu vertrauen. Die KI recherchiert nämlich nicht und kann deshalb vollkommen falsche Tatsachen behaupten, die zudem ethisch-moralisch fragwürdig sein können. Das liegt ganz einfach daran, dass ChatGPT nichts anderes als ein Chatprogramm ist, das mit zahllosen im Internet zugänglichen Texten aus Büchern, Artikeln oder Chatforen gefüttert und vortrainiert wird. Komplizierte Algorithmen oder Sprachregeln spielen keine Rolle, sondern entstandene Texte basieren auf dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit. Das heißt, dass das Programm die Worte in Silben (Tokens) teilt und dann die Wahrscheinlichkeit von Sprachelementen, die aufeinander folgen können, errechnet.

Damit waren wir dann auch gleich bei den Problemen, die sich beim Einsatz des Programms stellen: Die Texte, mit denen die KI trainiert wird, stammen aus dem Internet, die geistige Leistung der Autor:innen wird bis jetzt nicht vergütet, die Urheberrechtsfrage ist ungeklärt. Viele Verbände dringen hier auf eine Lösung. ChatGPT kann außerdem nicht erkennen, ob Texte oder Antworten, die es zur Verfügung stellt, stimmen und darüber hinaus, ob und welche ethischen und moralischen Standards gesetzt werden. Makaber in die diesem Zusammenhang der Hinweis auf sogenannte „Klickarbeiter“, die in Afrika unterirdisch in Laboren sitzen und unerwünschte Inhalte herausfiltern unter miserablen Arbeitsbedingungen und schlecht  bezahlt.

ChatGPT als Ideengeberin

Foto: Susanne Martin
Foto: Susanne Martin

Die Frage, ob ChatGPT auch einen Roman schreiben könne, war schnell beantwortet: Nein! Bisher kann sich das Programm lediglich 4000 Zeichen merken, das entspricht ungefähr 4 Seiten. Als Ideengeberin für Plot und Figurenentwicklung kann die KI jedoch fungieren. Wie das gehen kann, demonstrierte Wolfgang Tischer auf eindrucksvolle Weise. Er gab der KI die Aufgabe, ihm Vorschläge für einen humorvollen Stuttgart-Krimi zu machen, in dem eine Sehenswürdigkeit und ein Buch eine Rolle spielen sollen. In atemberaubender Geschwindigkeit schlug die KI nicht nur 3 Titel vor, sondern sie nannte auch eine Hauptfigur und gab einen kurzen Abriss des Inhalts. Schritt für Schritt erstellte sie auf entsprechende Aufforderungen hin einen Klappentext und verglich das geplante Buch mit bereits erschienenen Büchern. Dieser Vergleich war jedoch mit Vorsicht zu genießen, die wenig zutreffenden Buchtitel entlockten dem Publikum ebenso ein Schmunzeln wie der Versuch von ChatGPT ein Sommergedicht zu schreiben, in dem ein Schmetterling, Nektarduft und ein Sonnenuntergang  vorkommen sollten, zunächst à la Kästner und dann à la Rilke.

Das Fazit dieses überaus spannenden und informativen Abends: Noch ist ChatGPT keine wirkliche Konkurrenz für kreative Urheber:innen, in der Recherche ist sie mit Vorsicht zu genießen. Für die Schreibpraxis jedoch kann sie als Ideengeberin oder Korrektiv durchaus unterstützen.

Text und Bilder: Susanne Martin

Weiterführende Links:

Urheberrecht: ChatGPT von eigenen Inhalten ausschließen

10 gewöhnliche und 30 ungewöhnliche Schreibtipps für Autorinnen und Autoren (von ChatGPT)

KI: Wie Klickarbeiter in Kenia ausgebeutet werden

Netzwerk Autorenrechte: Stellungnahme Kreative Intelligenz ./. Künstliche Intelligenz

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