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März 2025

Orang Utan, Foto: Verena Boos

Am 25. Februar führten Verena Boos und Björn Springorum ein Gespräch in der Stuttgarter Stadtbibliothek, das hier nachzuhören ist: https://veranstaltungen-stadtbibliothek-stuttgart.de/?id=16797

Im Rahmen dieser Veranstaltung blieb längst nicht genug Zeit für alle Fragen, die Björn sich für Verena überlegt hatte. Daher hier als Ergänzung zum Dialog die weiteren Fragen in schriftlicher Form als Interview.

Björn: Wie erlebst du das Stipendium im Schriftstellerhaus?

Verena: Vor allem als geschenkte Zeit. Mein Buch DIE TAUCHERIN ist im Juli vergangenen Jahres erschienen, das war ein echter Ritt, ein eng getakteter Zeitplan. Jetzt bin ich nach Sommerpause und etlichen Lesungen wieder in der Phase, in der ich mir ein neues, schon länger reifendes Romanprojekt vornehme und erschließe, aufschließe. Dafür ist ein solcher Aufenthalt mit viel Zeit allein mit sich und dem Text ein echtes Geschenk. Das Stipendium ist eine Bereicherung in meinem Autorenleben, auch ein bisschen ein Türöffner in die Stuttgarter Literatur- und Kulturgesellschaft.

Welche Erfahrungen hast du ganz allgemein mit Stipendien gemacht? Was läuft gut, was könnte besser laufen?

Ich hatte schon einige Aufenthalts-Stipendien – am Literarischen Colloquium in Berlin, im Herrenhaus Edenkoben, ich war als Stipendiatin des Hessischen Literaturrats für drei Monate Stadtschreiberin in Bordeaux … Ich habe es bisher nie geschafft, das Schreiben ganz regelmäßig in meinen Alltag einzubauen, sondern schreibe in Phasen, mal mehr, mal weniger, mal exzessiv. Während meines ersten Romans BLUTORANGEN habe ich ungefähr 50/50 geschrieben und freischaffend gearbeitet, in einer neuen Stadt, wo ich wenig Sozialleben hatte. Den zweiten Roman KIRCHBERG konnte ich dank der Preisgelder und Stipendien – auch das Landesstipendium Baden-Württemberg! – in Vollzeit als Autorin schreiben. Und DIE TAUCHERIN ist nun in gut anderthalb Jahren entstanden, neben meiner Arbeit in einer Jugendkunstschule her, hochkonzentriert, im Alltag und in dem, was man so als Urlaub bezeichnet.

Solch mehrmonatige Aufenthalte sind willkommene Auszeiten aus dem „normalen“ Leben, während derer ich mich stärker auf mich und mein Schreiben konzentrieren kann. Es bleibt ein Spagat zwischen dem Sich-Herausnehmen und dem Verhaftetbleiben im eigenen Alltag, denn Jobs und soziale Beziehungen und Fixkosten laufen ja weiter. Ich konnte meinen Brotjob für diese drei Monate wesentlich reduzieren, mache ein paar Stunden von hier aus und fahre immer mal wieder für einen einzelnen Präsenztag dorthin – das geht nur aufgrund der räumlichen Nähe und der wackeren Unterstützung durch meine Kollegin, die die Stellung hält.

Ich hab es da einfacher als viele meiner Kolleg*innen mit Kindern und Care-Aufgaben. Die könnten Vieles beitragen, was sich bei Stipendien verbessern müsste und haben das in einem Buch zusammengetragen: OTHER WRITERS NEED TO CONCENTRATE. Da geht es unter anderem darum, dass sehr viele Stipendien nicht familienfreundlich ausgestaltet sind und von vornherein viele, eben auch sehr gute Autor*innen ausschließen. Das ist eine lose-lose-Situation. Es wäre doch famos, wenn ein Stipendiengeber auch einen Platz in einer Kita organisieren würde.

Woran hast du in Stuttgart schon gearbeitet?

An meinem Netzwerk. An dem bereits erwähnten neuen Roman. Ich habe den riesigen, schlecht sortierten Haufen bisheriger Texte gesichtet und weiter bearbeitet und die Zeit zum Recherchieren genutzt: Gletscherkunde, Risikoanalysen, soziologische und gesellschaftspolitische Themen. Input hat in diesen Wochen bisher besser funktioniert als Output. Es war zu Beginn eine sehr unruhige Zeit für mich, wegen der politischen Lage. Die Abgrenzung fiel mir schwer.

Ich arbeite mega gerne in Bibliotheken, was ich in Rottweil nicht kann, da es dort eben nur eine kleinstädtische Stadtbibliothek gibt. Hier reserviere ich mir ein paar Tage die Woche einen Platz in der Württembergischen Landesbibliothek und zwuckele dann dort rüber. Ich mag diese konzentrierte Schaffigkeit mit so vielen lesenden und arbeitenden Menschen an einem Ort. Ich mag die Energie, die da entsteht.

Um das Leben in der Ferne, um die andere Person, die wir in einer fremden Stadt werden, geht es auch in deinem dritten Roman „Die Taucherin“. Ganz konkret ist es Valencia, für die Protagonistin Amalia ja durchaus zweite Heimat und Sehnsuchtsort. Wie sieht deine Beziehung zur Stadt aus?

Valencia spielte schon in den BLUTORANGEN eine Rolle, war aber nicht so präsent wie in DIE TAUCHERIN. Im aktuellen Roman war das ein konkreter Vorsatz: Valencia literarisch und sinnlich, mit vielen Facetten seiner Geschichte in Szene zu setzen. Ich habe 2006-2007 dort gelebt und gearbeitet und bin seither immer in Verbindung geblieben. Zusammen mit München ist Valencia der Ort, an dem ich am liebsten gelebt habe. Ich habe in Valencia großartige Freunde gefunden und aber auch – gerade im Arbeitskontext – sehr schwierige Situationen erlebt. Spanien und Valencia bringen in mir viele Saiten zum Klingen: das Leichte, Gesellige, ich mag die oftmals raue Landschaft, natürlich auch das phantastische Essen. Und zugleich weiß ich aber nicht nur um das Schwere und Brutale, das diese Gesellschaft in sich trägt, sondern nehme mich dieser Geschichte ja ganz bewusst an.

Wie entwirfst du deine Figuren? Bei Amalia hat man auf jeden Fall das Gefühl, dass sie dir relativ nahe steht…

Das tut sie und das war auch so gewollt. Dieser Roman hat in der Figur von Amalia eine autofiktionale Komponente. Ihre Denke, ihre Bildungsbiografie, ihre Hobbys sind nah an den meinen. Was ich an einer Stelle ja auch selbstironisch thematisiere.

Ich lebe eine relativ lange Zeit mit den Figuren, statte sie peu à peu mit Eigenschaften und Geschichte aus. Das ist eine Mischung aus Intuition und rationalen Überlegungen. Ich bin keine dieser Autorinnen, die von einer Figur heimgesucht wird und dann mit der ersten Szene beginnt und losschreibt und sich quasi führen lässt. Meine Romane entstehen aus dem Zusammenspiel von Stoff und Figur und in einem Hin und Her von Schreiben und Planen. Damit meine ich nicht das klassische und oft so verrufene Plotten. Vielleicht kann ich sagen, dass ich so eine Art Mikro-Plotting mache. Mein Schreibprozess ist oft messy, zwischen Notizen und Recherchen und groß angelegten Ordnungsversuchen und dann dem puren und reinen Schreiben. Und viele, vielleicht die besten Ideen entstehen im Schreiben. Das würde am Reißbrett niemals zu einem kommen. Da sind wir dann wieder beim Eigenleben, bei der Dynamik der Figuren.

 

Sie ist eine Frau Ende 40, die dennoch noch nicht den Halt im Leben gefunden hat, den die Gesellschaft bei einer Frau in ihrem Altern gern sehen würde – kein Mann, keine Kinder, kein fester Job. Das gleicht ja fast schon einem Stigma, nicht wahr?

Amalia vergleicht sich mit ihren Geschwistern – ihr Bruder ist ein erfolgreicher Karrierejurist bei der EU, ihre Schwester ist immer im Glottertal geblieben und bringt Job, Mann, Kinder, Eigenheim unter einen Hut. Amalia ist dagegen ihren Intuitionen und momentanen Interessen gefolgt, sie hatte nicht den großen Masterplan und konnte sich nie so recht zwischen Wissenschaft, Tourismus und Wildnispädagogik entscheiden. Es hat immer zum Leben gereicht, aber nun hat sie das Gefühl, nichts vorweisen zu können und irgendwie den Zug verpasst zu haben.

Der Roman spielt im Frühjahr 2023, also haben alle Pandemie und Krieg in den Knochen sitzen, das Gefühl des Prekären ist viel greifbarer als vorher. In dieser Gesamtgemengelage kann Amalia sich kaum hinstellen und selbstbewusst vertreten, dass sie das alles niemals anders gewollt hatte. Sie steckt nicht nur in der persönlichen Sinnkrise, sondern in einer handfesten Existenzkrise – nachdem sie geglaubt hatte, dass mit einem langfristigen Jobangebot in Valencia endlich alles in einen sicheren Hafen einläuft.

Inwiefern prägt sie das, begründet ihr Handeln?

Sie agiert aus einem empfundenen Defizit heraus, stürzt sich in dieses verzweifelte Abenteuer der Suche nach Marina, die sich immer mehr zu einer Suche nach sich selbst entwickelt. Am Ende ist Amalia krass erschöpft, krass verunsichert, es steht kein Stein mehr auf dem anderen, aber sie ist auch näher bei sich selbst und der Roman schließt den Kreis zu seinem Anfang.

Wann und wo ist der Roman denn genau entstanden?

In verhältnismäßig kurzer Zeit zwischen April 2023 und Juni 2024. In Rottweil und auch während ein paar Wochen in Valencia, und in Zusammenarbeit mit meinem Verleger Gunnar Cynybulk vom Kanon Verlag, mit dem ich – damals noch bei Aufbau – auch die beiden anderen Bücher gemacht hatte.

Bei aller wunderbarer Valencia-Romanik ist „Die Taucherin“ beileibe keine leichte Urlaubslektüre, sondern ein düsteres, dringliches Buch. Es geht um die Auswirkungen und Traumata der nicht aufgearbeiteten Franco-Diktatur, um das Wiedererstarken des Faschismus. Wieso kommt es mir beim Lesen dann aber eigentlich dennoch so leicht, so luftig vor?

Meike Feßmann hat in einer sehr schönen Rezension für den Deutschlandfunk geschrieben, dass der Roman von Licht durchdrungen sei wie ein Gemälde von Joaquin Sorolla, was mich sehr gefreut und geehrt hat. Ich vermute, dass die sinnliche Darstellung von Valencia wie ein Comic Relief funktioniert. Ein bisschen Situationskomik und Ironie blitzt ja immer wieder auf. Und es gibt natürlich positive Figuren wie die Alte Amparo, die sich nicht unterkriegen lässt, und positive Geschichten, wie der erfolgreiche zivilgesellschaftliche Kampf um das Fischer-Viertel Cabanyal mit seiner sozialen Struktur und der kulturell wertvollen Jugendstil-Architektur.

Roter Faden in diesem Roman ist auch das Erinnern. Amalia erinnert sich an ihre Kindheit in Valencia, an die unbeschwerte Zeit mit ihrer Freundin Marina. Zugleich gleitet ihr Vater immer weiter in die Demenz. Was hast du durchs Schreiben über Erinnerungen gelernt? Inwiefern bestimmen sie uns und unser Handeln?

Erinnern ist der gemeinsame Nenner, auf den sich alle meine Romane berufen, ebenso wie sein Gegenteil, das Nicht-Erinnern, Verheimlichen und Verdrängen, die Familiengeheimnisse: historische, kollektive Erinnerung in den BLUTORANGEN – ein Familien- und Dorfgeheimnis in KIRCHBERG – und ein bisschen die Kombination aus beidem, auch durch das Brennglas der Demenz des Vaters in DIE TAUCHERIN.

Vielleicht bestimmen nichtbewusste, unterschwellige Erinnerungen unser Handeln sogar mehr als die bewussten. Unsere Erinnerungen, Sozialisation, Prägungen – sie alle sind Bestandteile unserer wandelbaren und prozesshaften Identität. Wir können nicht nicht erinnern, und was wir zu erinnern verweigern, arbeitet im Untergrund vor sich hin.

„Welche Erlebnisse pflanzen uns die entscheidenden Erinnerungen ein?“, lässt du Amalia in „Die Taucherin“ fragen. Diese Frage stelle ich jetzt einfach mal dir.

Damit spiele ich nicht nur auf die Erinnerungen, sondern auch auf die Lücken an. Auf bewusst gesetzte Familienerzählungen und ebenso bewusst gesetzte Aussparungen. Unsere Identität konstituiert sich im Erzählen und Wiedererzählen. Jede und jeder ist manipulierbar und auch manipulierend. Amalias Mutter Charlotte bestimmt die Agenda und den Ton der Familienerinnerungen, und sie tut das aus ganz bestimmten Gründen.

Gerade in einer Familie spielen kollektive Erinnerungen ja eine große Rolle. Wieso kann das schädlich sein?

Weil sie individuelle Erinnerungen überdecken oder delegitimieren, besonders wenn diese vom Familienkonsens abweichen. Sie können ein Individuum isolieren. Sie können eine Form der Unterdrückung darstellen. Im krassesten Fall kann das Gaslighting sein: dass die einen den anderen die Richtigkeit ihrer Erinnerungen absprechen – denken wir nur mal an Fälle von Missbrauch und Gewalt. Und nicht zuletzt gibt es ja falsche Erinnerungen – das reicht von harmlos – dass man sich selbst in einer Situation wähnte und später auf einem Foto entdeckt, dass man gar nicht dabei war – bis hin zu falschen Verurteilungen wegen Mordes. Erinnerungen sind nicht verlässlich.

Du thematisierst auch Erinnerungskultur. Was macht Spanien in dieser Hinsicht falsch deiner Meinung nach?

Es ist hier sicherlich korrekter, von zwei Spaniens zu sprechen, und eines davon macht Vieles richtig, steht aber auf ziemlich verlorenem Posten. Spanien ist nach wie vor mehr oder weniger entlang derselben Linien gespalten wie zu Zeiten des Bürgerkriegs und der Diktatur. Diejenigen, die vielfältig Opfer geworden sind, drängen auf VERDAD JUSTICIA y REPARACION, also auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung, die auch in der Aufarbeitung und Anerkennung des Unrechts bestehen kann. Hier sind vor allem zivilgesellschaftliche Akteure zugange, Familien- und Bürgerinitiativen, Nichtregierungsorganisationen.

Auf der anderen Seite stehen jene, die eine Aufarbeitung blockieren, in der politischen Arena, im Justizapparat, die Kirche: all jene, die Dreck am Stecken haben. Diese Denke reicht in einem quasi dynastischen Denken über mehrere Generationen hinweg. Staat, Kirche, Justiz verweigern sich der Aufarbeitung. Es gibt seit 2006 ein Gesetz zur historischen Erinnerung, das niemals wirklich durchschlagende Wirkung zeigen konnte, weil es unterfinanziert war und politisch insbesondere von der konservativen Partei boykottiert wurde. Und jetzt kann man in Spanien beobachten, wie mit VOX eine ultrarechte Partei in Koalitionen kommt und krassesten Geschichtsrevisionismus betreibt. Spanien ist ein Labor für das, was uns in Deutschland erwartet.

Thema des Romans ist ja eigentlich das Verschwinden von Amalias alter Freundin Marina, aber darüber wird jede Menge spanische Geschichte und auch das spanisch-deutsche Verhältnis transportiert – auf meisterhafte Weise. Wieso interessiert dich das so?

Da ist historisches und soziologisches Interesse, eine makabre Faszination an menschlichen Abgründen und ein humanes, oder humanistisches, Gerechtigkeitsempfinden. Ich vermute, das kommt aus demselben Verantwortungsimpuls heraus wie mein gesellschaftliches Engagement in dieser Gegenwart. Ich würde mein Schreiben vielleicht nicht als Aktivismus bezeichnen, aber ich habe es immer auch als politisch empfunden.

Was reizt dich an diesen wenig beachteten Themen?

Wir erzählen uns ja im Wesentlichen immer die gleichen Geschichten. Und vielleicht kann man sagen, dass ich mit diesen beiden Romanen über deutsch-spanische Vergangenheit und Gegenwart meine Nische gefunden habe. Meinen Stoff, über den ich Geschichten von Verrat und Gerechtigkeit, von Liebe und Trauer erzählen kann. Auch der Wunsch, denjenigen eine Stimme zu leihen, die zum Schweigen gebracht und von der „großen“ Geschichtsschreibung außen vor gelassen wurden, spielt mit eine Rolle. Ihre Geschichte(n) aus dem Schatten ans Licht zu bringen.

Was hast du bei deinen Recherchen herausgefunden, das dich selbst am meisten mitgenommen hat?

Sehr gerührt haben mich die Ausgrabungen von Opfern der Franco-Diktatur, diese Lebensenergie, die daraus erwuchs, dass Dinge ans Licht und die Toten ihren Familien zurückgebracht wurden. Mitgenommen hat mich das Schicksal der geraubten Kinder in der Franco-Diktatur. An einer Stelle beschreibe ich das Foto eines Babies, das für mich der Inbegriff der Verlassenheit darstellt. Das hat mich lange nicht mehr losgelassen.

Und wie kam eigentlich der Heilige Kelch in die Geschichte, der seit dem 15. Jahrhundert in der Kathedrale von Valencia verwahrt wird? Welche Rolle spielt er, wofür steht er?

Der sogenannte Heilige Gral ist ein Touristenmagnet und steht einerseits für das vermarktete Valencia. Viel wichtiger ist er aber als Symbol fürs Erzählen von Geschichten – fürs Erzählen ebenso wie fürs Verschweigen und Verschleiern. Er ist ein gutes Beispiel für gesicherte (in diesem Fall archäologische) Fakten und fake news, Storytelling, mythische Aufladung. Er ist ein Machtsymbol der katholischen Kirche, er repräsentiert für mich diese eingeschworenen Männerbünde und damit auch Machtmissbrauch und unmenschliche Praktiken. Für Amalia ist er ein Erinnerungsvehikel und verbindet sie liebevoll mit ihrem Vater, zugleich kristallisiert sich daran aber im Lauf der Geschichte auch, wie wenig sie über ihre Eltern wirklich wusste.

Das bringt mich zu einer anderen Frage: Wie suchst du generell deine Themen? Woran merkst du, dass da ein Stoff ist, der dich nicht mehr loslässt?

Das ist instinktiv. Das ist wie Lunte riechen. Eine Unruhe, ein Kribbeln, ein Erwachen. Eine Lust mich zu versenken.

Ich hab auch Romananfänge in der Schublade, wo mich der Stoff eben nicht so gepackt hat, bzw. wo ich noch nach dem richtigen Zugang suche, damit es zündet.

Du bist ja gebürtige Rottweilerin. Inwiefern ist dir ein gewisser lokaler Bezug in deinen Texten wichtig?

Eigentlich ist mir der nicht per se wichtig. Meinen Roman KIRCHBERG habe ich in der Umgebung von Rottweil angesiedelt, weil ich im Lauf des Schreibprozesses immer stärker gemerkt habe, dass ich innerlich in der Kulisse des Dorfes unterwegs bin, in dem ich meine Kindheit verbracht habe. In KIRCHBERG geht es um die Heimkehr einer Figur, die mit hochstrebenden Hoffnungen in die Welt hinausgezogen war und als versehrte Gestalt zurückkehrt, was ihr aber erst die Möglichkeit eröffnet, alte offen gebliebene Fragen zu klären. Eine typische Dorfgeschichte – ich habe sie im Schwäbischen angesiedelt, aber sie würde wahrscheinlich auf sehr vielen deutschen Dörfern funktionieren.

DIE TAUCHERIN spielt jetzt neben Valencia auch im Glottertal, weil ich dort in den letzten zwei Jahren viel Zeit verbracht habe und viel die Hügel rauf und runter gewandert bin. Ich bin überzeugt, dass die Beschreibungen davon durchdrungen sind, wenn man einen Ort gut kennt. Er (be)schreibt sich anders. Im Falle der TAUCHERIN wollte ich dem lichtdurchfluteten und (vermeintlich) Leichten des Mittelmeers diese Schwarzwaldidylle gegenüberstellen, die ja auch ihre ganz eigenen Abgründe bereithält.