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Weihnachtsempfehlung von Wolfgang Tischer: Tarjei Vesaas, „Das Eis-Schloss“

In unserer Reihe „Weihnachtsempfehlungen“ ist Wolfgang Tischer an der Reihe, der uns den Roman „Das Eis-Schloss“ von Tarjei Vesaas empfiehlt, ins Deutsche übertragen von Hinrich Schmidt-Henkel.

Wolfgang Tischer empfiehlt Tarjei Vesaas © privat

Meine Weihnachts- und Winterempfehlung ist der Roman »Das Eis-Schloss« des norwegischen Autors Tarjei Vesaas. Vessas lebte von 1897 bis 1970, und »Is-slottet« erschien im Jahre 1963. Sebastian Guggolz hat das Werk von Hinrich Schmidt-Henkel neu übersetzen lassen und 2019 in seinem kleinen Guggolz Verlag veröffentlicht. 2020 folgte dann Vessas‘ Roman »Die Vögel«. Für diese Übersetzung war Hinrich Schmidt-Henkel für den Preis der Leipziger Buchmesse 2021 nominiert. »Das Eis-Schloss« ist jetzt als Taschenbuchausgabe bei dtv erhältlich.

Als damals die englische Übersetzung erschien, schrieb die Nobelpreisträgerin Doris Lessing eine Lobeshymne über »Das Eis-Schloss«. Ihr Text ist dem Buch als Nachwort beigefügt. Lessing sucht nach Wörtern, um den Roman zu beschreiben. Die Superlative seien abgenutzt.

Tatsächlich habe auch ich mir für eine Besprechung im literaturcafe.de schwer getan, Worte für diesen Roman zu finden. Er ist so ganz anders. Er ist geprägt durch die wunderbare Sprache, die Schmidt-Henkel für seine Übersetzung gefunden hat. Für eine norwegische Landschaft mit Eis und Schnee muss man passende Worte finden. Tarjei Vesaas beschreibt Gefühle und Natur nicht mit abgenudelten Begriffen. Nein, es ist eigentlich noch viel bemerkenswerter: Selbst 2021 liest sich dieser Roman von 1963 so frisch lyrisch unverbraucht, als habe jemand erst jetzt nach neuen Erzählformen gesucht.

Auch die Elemente der Geschichte sind so zusammengefügt, wie wir es von aktuellen Erzählungen kaum noch kennen. Wir haben beeindruckende kleine Perspektivwechsel am Anfang der Kapitel, und das titelgebende Eis-Schloss prägt das Buch und seine Charaktere.

Es ist nicht einfach, die Handlung zu beschreiben, weil wir gedanklich sofort in ausgetretene Pfade gelangen, die Vesaas nie beschreitet. Also nur so viel: Es ist die Geschichte zweier elfjähriger Mädchen, die merkwürdig miteinander verbunden sind, obwohl eine davon nach einer kurzen Begegnung verschwindet. Das Verschwinden verändert den Ort im verschneiten Norwegen.

Und es verändert auch uns beim Lesen.

Tarjei Vesaas: „Das Eis-Schloss“. Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel. dtv München 2021, 208 Seiten, 12 Euro. Oder als gebundene Ausgabe: Guggolz Verlag, Berlin 2019, 199 Seiten, 22 Euro.

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