Von Catarina Da Silva und Moritz Hildt
Neben einer starken Figurenentwicklung ist das Konstruieren des Plots eines der wichtigsten Werkzeuge im Schreibhandwerk. Wenn wir jemandem von einem guten Buch oder dem kürzlich gesehenen Film erzählen, dann ist für gewöhnlich das erste, das wir unserem Gegenüber beschreiben, die Handlung – also die Abfolge der Ereignisse: das, was geschieht. Als „Plot“ bezeichnet man die Art und Weise, wie die Ereignisse der Handlung aufeinander folgen. Schon seit unsere Vorfahren ums Lagerfeuer herumsaßen, sind unsere Gehirne evolutionär auf Erzählungen ausgelegt und darauf, einzelne Geschehnisse in narrative Zusammenhänge einzubetten (Liza Cron hält dies und weitere, unter anderem neurowissenschaftliche Erkenntnisse im Bezug auf das Schreiben und das Geschichtenerzählen in ihrem Buch Wired for Story fest.)
Viele Autoren und Autorinnen nutzen daher ihr intuitives Gefühl für den Ablauf einer Geschichte und schreiben ohne konkreten Plan drauf los. Diese Vorgehensweise kennt man im Englischen unter „pantsen“ (von writing by the seat of your pants = sich ohne Plan hinsetzen und nach der eigenen Improvisation schreiben). Gegenüber stehen diejenigen, die eine Handlung und das, was sie erzählen möchten, oft bis in die kleinsten Szenen detailliert planen, bevor sie sich ans Schreiben machen – sie „plotten“ also. Und natürlich gibt es auch hier einen Mittelweg: jene Schreibenden, die sich irgendwo dazwischen einordnen, zunächst etwas planen und dann aber, mit einem eher groben Plan, bereits zu schreiben beginnen, das sogenannte „plantsen“.
Unabhängig davon, ob du dich den Pantsern, Plottern oder Plantsern zuordnest, gibt es einige Grundlagen, die allen Schreibenden bekannt sein sollten, bevor sie eine Geschichte, insbesondere einen Roman zu schreiben beginnen.
Das kleine Einmaleins des Plottens
Eine Romanhandlung, also der Plot, besteht aus dem Zusammenspiel des inneren und des äußeren Konflikts. Diese erzeugen sowohl eine innere als auch eine äußere Handlung, die sich ab einem Punkt in deiner Geschichte gegenseitig bedingen und beeinflussen. Zunächst sollte dir also der innere Kernkonflikt deines Protagonisten klar sein (mehr dazu hier) . Dieser bestimmt das Ziel deiner Hauptfigur und mögliche innere Hindernisse, die ihr beim Erreichen dessen im Weg stehen könnten. Wie diese Hindernisse überwunden werden und sich die Figur in der Folge davon entwickelt, beschreibt die innere Handlung. Neben ihr gibt es eine äußere Handlung, also die Geschehnisse der Geschichte. Auch hier überwindet die Hauptfigur äußere Hindernisse – das Zusammenspiel der inneren und äußeren Handlung ergibt von der Prämisse bis zum Ende den notwendigen Handlungsbogen. Betrachten wir hierzu die wichtigsten Punkte:
Prämisse und „Hook“
Die Prämisse, oder, anders genannt, das Thema deiner Geschichte, sollte zu Beginn eingeleitet werden. Bestenfalls lässt die Prämisse dabei schon einen vorausliegenden Konflikt erahnen, und macht so neugierig. Als „roter Faden“ dient sie dir außerdem als Orientierung über die gesamte Geschichte hinweg, ohne dass detailliert geplante Handlungspunkte notwendig sind. Als „Hook“ (= Englisch für „Haken“) bezeichnet man die Technik, den Leser gleich zu Beginn einer Geschichte zu fesseln, wie einen Fisch am (Angel-)Haken.
Auslösendes Moment & Reaktion
Klassischerweise gibt es ein einschneidendes Ereignis, das dafür sorgt, dass die Hauptfigur aus ihrer Komfortzone herausgezogen wird. Sie ist mit ihrem inneren und dem nun auftretenden äußeren Konflikt direkt konfrontiert und muss reagieren.
Konsequenzen
Was sind die Folgen dieser Reaktion? Hat sie die Hauptfigur einen Schritt näher an ihr Ziel gebracht? Oder hat sie weitere Hindernisse geschaffen, denen die Figur nun unausweichlich gegenübersteht? Oftmals verändert sich nach dem auslösenden Moment die Fallhöhe – das heißt, für die Hauptfigur steht nun mehr auf dem Spiel, sollte sie die Hindernisse nicht überwinden können.
Überwindung der Hindernisse & Entwicklung
Der Teil, in dem die Hauptfigur sich mit ihren inneren und äußeren Konflikten auseinandersetzt, kann in jeder Geschichte unterschiedlich aussehen. In einem Fantasyroman beispielsweise besteht der Handlungsbogen oft aus einer Heldenreise, auf der die Hauptfigur den Antagonisten bekämpft und anfängt, zu hinterfragen, was sie zu Beginn der Geschichte über sich und die Welt dachte. In einer anderen Geschichte kann die antagonistische Kraft auch schlichtweg ein Teil des inneren Konflikts sein, der die Hauptfigur davon abhält, ihre Ziele zu erreichen.
AHA-Moment & Reaktion
Der AHA-Moment – also eine Situation der Einsicht und des (inneren) Wachstums – kann ganz unterschiedlich zustandekommen und hängt stark mit dem inneren Konflikt und den ggf. fehlerhaften Annahmen der Protagonist*innen über sich und die Welt zusammen. Entweder überwindet die Hauptfigur die antagonistische Kraft, lernt daraus und kann so auch ihren inneren Konflikt lösen und daran wachsen. Oder aber der innere Konflikt löst sich zuerst durch eine Entwicklung und bringt der Hauptfigur eine neue Erkenntnis. An dieser wächst sie und besiegt daraufhin die antagonistische Kraft. Ein klassisches (und stark vereinfachtes) Beispiel dafür findet sich oft in Liebesromanen: Hauptfigur Lukas hat Schwierigkeiten damit, Menschen zu vertrauen. Obwohl er verliebt ist und das Interesse beidseitig ist, traut er sich nicht in eine Beziehung mit seiner Angebeteten, bis er durch mehrere Geschehnisse erkennt, dass er ihr vertrauen kann. Der AHA-Moment. Daraufhin überwindet er sein inneres Hindernis, die Vertrauensbarriere, und löst dann auch die äußeren Konflikte, die einer Beziehung im Wege stehen.
Auflösung
Zum Schluss solltest du darauf achten, dass deine Geschichte einen runden, plausiblen und nachvollziehbaren Schluss erhält. Wie genau ein passendes Ende aussieht, hängt von den Erfordernissen deines Plots ab. Natürlich muss es kein „Happy End“ geben, ebensowenig eine „Katastrophe“. Aber irgendwo dazwischen wird es sich bewegen. Eine weitere Frage: Ist es ein offenes oder ein geschlossenes Ende? Wichtig ist vor allem, dass die Konfliktlösung und die Entwicklungen nachvollziehbar sind und keine Stränge (nicht mal die der Nebenhandlungen) einfach fallengelassen werden.
Bekannte Strukturen
Die eben beschriebenen Punkte werden häufig zu Schlüsselszenen der Geschichte. Aufgrund ihrer Wichtigkeit sollte man ihnen beim Plotten viel Aufmerksamkeit widmen. Auch als „Pantser“ muss man sich ihrer Wirkung während des Schreibens bewusst sein. Wer lieber mit einem genauen Schema arbeitet, kann sich beim Plotten beispielsweise an der mit Abstand bekanntesten Handlungsstruktur orientieren:
3-Akt-Struktur
Die Geschichte besteht aus drei Teilen – Einleitung, Konfrontation, Auflösung. Die Handlung steigt dabei stetig an bis zum Höhepunkt im dritten Akt. Im ersten Akt ist die Hauptfigur mit dem auslösenden Moment konfrontiert, die Geschichte erfährt also nach der Einleitung und Vorstellung der Figuren eine Veränderung. Im zweiten Akt gibt es einen Mittelpunkt – durch ein Geschehnis ändert oder festigt sich beispielsweise das Vorhaben der Hauptfigur; von nun an steht mehr auf dem Spiel und die Handlung steigt weiter. Der Höhepunkt im dritten Akt wird hin und wieder auch als Wendepunkt beschrieben. Danach fällt die Handlung ab und es folgt der Schluss.
Regeln sind da, um gebrochen zu werden!
Es geschieht schnell, dass man sich ein Schema zur Hand nimmt und, wie mit einer Schablone, alles „richtig“ machen will. Viel wichtiger ist aber: Finde heraus, was für dich am besten funktioniert – ob plotten, pantsen oder plantsen –, und welchen Handlungsbogen deine Geschichte braucht. In Teilen des Schreibhandwerks gibt es oft so viele Variationsmöglichkeiten wie Schreibende selbst. Wenn du die Elemente der Handlung verstehst und dir ihrer Wirkung bewusst bist, kannst du mit ihnen und auch ihrer Reihenfolge „spielen“ und umgehen, wie es zu deiner Geschichte passt.
Zwei Autor*innen erzählen, wie das Planen der Handlung bei ihnen aussieht:

Ich bin ein Filmfreak. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich, wenn ich die Idee zu einer Geschichte habe, sie zuerst als eine Abfolge von Szenen vor meinem geistigen Auge sehe. Sie sind jedoch in dieser Phase zumeist nur durch ein „Und dann …“ miteinander verknüpft. Entsprechend banal wirkt die Geschichte –spätestens wenn man sie jemandem erzählt. Im Anschluss an diese frühe, „träumerische“ Phase beginnt für mich der Prozess des Plottens: Suche nach kausalen Verbindungen zwischen den Szenen, und wo du nicht fündig wirst, kreiere sie. Baue eine logische, gut strukturierte Handlung auf, in der jeder Teil mit dem darauffolgenden durch ein „Und weil …“ verbunden ist. Joachim Speidel, Autor. https://joachim-speidel-autor.blogspot.com/

Ich entwickle für meine Geschichten am Anfang eine Prämisse, einen Auslöser und ein mögliches Ziel für die Hauptfigur oder die Geschichte selbst. Diese Elemente geben mir Orientierung, ohne meinen kreativen Raum einzuschränken. Anschließend erstelle ich einen groben Kapitelplan, in dem ich zu jedem Kapitel mindestens einen Stichpunkt schreibe. Dabei ist es egal, wie detailliert ein einzelnes Kapitel ist. Bei manchen weiß ich genau, was passieren soll, bei anderen schreibe ich nur ein Schlagwort auf und arbeite es erst aus, wenn ich beim Schreiben an der entsprechenden Stelle angekommen bin. Wichtig ist, dass man sich im Klaren darüber ist, dass sich beim Schreiben vieles verändern kann. Im ersten Draft erzählt man sich die Geschichte oft selbst und kennt sie vorher gar nicht vollständig. Es ist also normal, wenn sich Kapitelpläne verschieben, Figuren neue Wege einschlagen oder Konflikte sich anders entwickeln. Die Planung dient als Leitlinie, nicht als starre Vorgabe. Sam Söndgen, Autorin und ehemalige Teilnehmerin der Drachenschmiede. @sam_soendgen
Text: Catarina Da Silva und Moritz Hildt

