Sommerzeit – Urlaubszeit! Für diese Zeit möchten wir Ihnen zwei Buchempfehlungen unseres Teammitglieds Susanne Martin mit auf den Weg geben. Beide sind dieses Jahr als Taschenbuch erschienen und somit handlich genug für Koffer, Reise- oder Badetasche!
Heinrich Steinfest: Der betrunkene Berg

Eine Buchhandlung auf 1765 Metern Meereshöhe und ein betrunkener Berg bilden den Hintergrund dieses besonderen Romans voller feiner Beobachtungen, garniert einem Schuss Humor und Magie.
Katharina Kirchner, eine Frau mittleren Alters lebt in einem kleinen Hinterzimmer ihrer Buchhandlung, die direkt neben einer Schutzhütte liegt. November und Dezember liebt sie besonders, denn dann ist ihre Buchhandlung geschlossen, die Lifte stehen still und sie genießt die Stille bei ihren Schneewanderungen. Aber in diesem Jahr passiert etwas Unerwartetes: Auf einer Schneewanderung findet sie einen Mann, zunächst bewusstlos, aber dann doch ansprechbar, der sich nach einigem Hin und Her von ihr in ihr Zuhause schleppen lässt. Er weiß nicht wie er heißt, scheint aber ein guter Koch zu sein und Katharina gibt ihm einen Namen: Robert. Es entwickelt sich eine Alltagsroutine, bis eines Tages eine weitere Person zu ihnen stößt.
Dieser Roman besticht nicht nur durch seine schöne Sprache, die bildreichen Naturbeschreibungen und seinen Humor, sondern er ist auch spannend! Den beiden Hauptfiguren Robert und Katharina bleibt viel Zeit für Gespräche, in denen sie zum einen versuchen, herauszufinden, wer Robert eigentlich ist und was ihn an diesen Ort verschlagen hat. Zum anderen gibt es aber natürlich Gründe, warum Katharina an diesem Ort lebt. Und auch Linda, die Lawinenforscherin, die irgendwann zu ihnen stößt, hat etwas erlebt, was ihr Leben geprägt hat. Das Zusammentreffen an diesem besonderen Ort beschert Allen tiefe, neue Einblicke in die entscheidenden Momente ihres Lebens. Und als würde das nicht schon reichen, erzählt Heinrich Steinfest auch noch eine Geschichte in der Geschichte, von der hier nicht mehr verraten werden soll, ebenso wenig, was es mit dem betrunkenen Berg auf sich hat.
Für mich war dieser Roman ein kluger, wunderbarer Lesegenuss auf unserer Tiroler Urlaubsterrasse, er kann aber genauso gut auf dem heimischen Balkon oder anderswo gelesen werden!
Arno Frank: Seemann vom Siebener

Ein heißer Sommertag in Ottersweiler, Freibadwetter, und im Schwimmbad treffen wir die unterschiedlichsten Leute. Der Bademeister Kiontke leidet noch immer unter einem Unglück, das hier vor vielen Jahren passiert ist. Isobel, die Witwe des Architekten, der einst das Schwimmbad baute, zieht jeden Tag ihre Runden im Wasser, erinnert sich an frühere Zeiten und die Anfänge des Baus. Sie war Lateinlehrerin und trifft im Schwimmbad immer wieder auch auf frühere Schülerinnen und Schüler, die sie jeweils mit einem lateinischen Satz begrüßt. Renate sitzt hinter der Kasse, kennt alle Besucher:innen, hat viel übrig für Kiontke und macht sich so ihre Gedanken. Joe sollte eigentlich auf der Beerdigung von Max, ihres verunglückten Mannes sein, aber sie hat sich ausgeklinkt und sie hat gute Gründe dafür. Lennart, ihr ehemaliger Schulkamerad und Verehrer, ist ein sehr erfolgreicher Fotograf geworden, der in der ganzen Welt von einem Termin zum nächsten hetzt, ist nach Ottersweiler gekommen, nachdem er die Nachricht vom Tod seines früheren Freundes Max erhalten hat. Aber statt zur Beerdigung ist er doch lieber ins Schwimmbad gegangen. Auch er hat gute Gründe dafür.
Und dann ist da noch das Geschwisterpaar, von dem wir nur erfahren, dass das Mädchen wohl Probleme hat und der Bruder auf sie aufpasst. Sie hat den Ehrgeiz, heute den Seemann vom Siebener zu machen. Der Seemann ist ein Kopfsprung, bei dem die Hände hinter dem Rücken verschränkt sind. Seit dem Unglück vor vielen Jahren ist der Siebener aber gesperrt.
Alle diese Menschen treffen jetzt hier aufeinander, Sie sind mit ihren Erinnerungen, Gedanken, Erwartungen und Sorgen beschäftigt, bis das Mädchen tatsächlich den Seemann vom Siebener springt.
Arno Frank verbindet die Schicksale seiner Figuren auf ganz feine, empathische Art und mit leisem Humor. Mit wenigen Worten öffnet er den Blick auf Personen und ihre Schicksale, lässt seinen Leser:innen dabei jedoch genug Raum für eigene Gedanken und Vorstellungen. Dazu kommt seine Erzählweise, die mir mit kleinen, beiläufig erwähnten Details alles sehr gut vorstellbar machte und mich zurück in meine Jungend katapultierte, in der ich heiße Sommertage gerne im Freibad verbracht habe. Und am Ende, als das Mädchen oben auf dem Siebener steht, erahnen wir plötzlich, was ihm widerfahren sein könnte.
Eine wunderbare Lektüre mit Tiefgang!
Bibliographische Angaben zur Bestellung im unabhängigen Buchhandel:
Steinfest, Der betrunkene Berg, Piper Verlag. 224 S., ISBN/EAN: 9783492319843
Frank, Seemann vom Siebener, Tropen Verlag, 232 S., ISBN/EAN: 9783608502503
Beide Lesetipps sind ursprünglich auf dem Blog von Susanne Martin erschienen.