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Astrid Braun liest Elizabeth Strout, Teil 1

An Ostern fanden sich zahlreiche Großfamilien bei Astrid Braun ein, denn sie tauchte ein in Kosmos der amerikanischen Schriftstellerin Elizabeth Strout. Manches davon las sie wieder, anderes entdeckte sie neu. Lassen Sie sich also von ihr verführen!

Mit Blick aufs Meer

Alles fing mit diesem Cover an. Es lockte mich in die Welt von Elizabeth Strout. Dann natürlich der Titel. Erwartet hatte ich eine muntere Unterhaltungslektüre. Gefunden habe ich eine sehr eigensinnige Person namens Olive Kitteridge, pensionierte Mathematiklehrerin aus dem kleinen Ort Crosby in Maine, USA.

Für diesen Roman, im Original auch einfach „Olive Kitteridge“ bekam Elizabeth Strout 2009 immerhin den Pulitzer-Preis. Über die Persönlichkeit von Olive Kitteridge bilden Sie sich am besten selbst ein Urteil.

Genauso spannend wie der Blick auf die auf den ersten Blick wenig empathische Lehrerin ist die Sicht der Autorin auf die nordamerikanische  Kleinstadtwelt. In diesem Roman entwickelte die studierte Juristin Strout, 1956 in Portland geboren und in Maine und New Hampshire aufgewachsen, das Verfahren, das einen Großteil ihrer Bücher ausmacht: das flirrende Auseinanderstreben einer Handlung, ja der ganzen Welt, mit einzelnen Erzählsträngen wieder zu zusammenzufügen. Das Band um diese Erzählungen, denn das sind sie, eigenständige Erzählungen, muss die Leserin, der Leser allerdings selbst winden. Deshalb ist die Lektüre der Bücher von Strout ein Orientierungslauf mit Hindernissen und möglichst mit Notizen.
Was alle LeserInnen weltweit lieben, ist Strouts Menschenkenntnis, die Kombination von scharfen Verstand mit Herzenswärme. Olive Kitteridge ist eine der wenigen älteren Hauptfiguren in der Literatur. Über ältere Männer wissen wir seit Updike, Roth und Richard Ford genug, ältere Frauen sind auch literarisch gesehen unsichtbar. Natürlich nur die eigensinnige Olive muckt dagegen auf.

Die langen Abende

Im amerikanischen Original heißt der Roman „Olive, again“. Konsequent und folgerichtig, denn es geht wieder um Olive, noch älter geworden, jedoch keineswegs ohne Elan. Und, o Wunder, hier passiert nochmals eine Liebe. Was unterscheidet die Altersliebe von der Liebe in Zeiten der mittleren Jahre, der Liebe in der Ehe? Nun, Olive gibt darauf ihre ganz eigene Antwort. Sowohl Jack, der Wittwer mit dem dicken Bauch, als auch Olive lieben mit Wonne, aber auch mit langen gedanklichen Ausflügen an ihre verstorbenen EhepartnerInnen sowie die dazu gehörigen Kinder.

Es ist zugegeben nicht leicht, Olive auf ihren einsamen Wegen zu begleiten, speziell jetzt in Corona-Zeiten, aber dennoch ist ihre unsententimentale Weltsicht eine fast tröstende Erholung. „Aber nun war es so weit, es war fast zu Ende, ihr Leben. Es schleppte hinter ihr her wie ein Sardinennetz, schwer von nutzlosen Klumpen Seetang, Muschelbruch und den zahllosen glänzenden Fischchen -…“ Der Gedanke an ein volles Fischernetz mit glänzenden Fischchen ist tröstlich – finden Sie nicht?

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