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Buchtipp: Michael Seehoff empfiehlt „Staffellauf“ von Joachim Zelter

© Foto: Michael Seehoff
© Foto: Michael Seehoff

Der Tübinger Autor Joachim Zelter ist unserem Haus seit vielen Jahren verbunden. So radelten wir im Rahmen des 1. Literaturfestival Stuttgart mit dem Autor durch Stuttgart, im Mai 2021 sprach Astrid Braun mit ihm über seinen Roman Die Verabschiebung.

Im August 2024 erschien sein neuer Roman Staffellauf. Unser Schriftführer Michael Seehoff hat ihn gelesen und auf seinem Blog rezensiert. Wir bedanken uns, dass wir seine Besprechung auch hier veröffentlichen dürfen.

Der Titel  Staffellauf des Tübinger Autoren Joachim Zelter könnte den Leser in die Irre führen. Gerade im ersten Teil ist es ein zähes, unsportliches Ringen zwischen Künstlertum und Bürgerlichkeit. Die Beschreibung der Entwicklung der Familie Staffelstein fehlt die Leichtigkeit und der Humor, für den der Autor bekannt ist.

Auf 182 Seiten erzählt Zelter die Geschichte von Künstlern in zwei Generationen. Bernadette, eine erfolgreiche Malerin, wird durch die Hartnäckigkeit ihres zukünftigen Ehemannes aus der künstlerischen Umlaufbahn katapultiert, hinein in ein langweiliges, bürgerliches Leben. Dem kann sie schließlich nur durch Flucht in eine schwere Depression entkommen. Erschwerend kommt ihr Tablettenmissbrauch hinzu.

Bernadette verliert ihre Unabhängigkeit und erhält eine Ehe-Versorgung

Bernadettes persönliches Unglück beginnt mit Karl Staffelstein, der eines Tages wie aus dem Nichts in ihrem Atelier auftaucht. Karl ist der Urururenkel eines Studienfreundes von Schiller. Diese „künstlerische“ Randnote in der Familienchronik erfüllt ihn mit Stolz. Er kommt, um ihr einen Heiratsantrag zu machen und lässt sich dafür Zeit. Viele Wochen lang wirbt er um sie. Die Schlagzeile einer Zeitung, die er unter dem Arm trägt, kreist um den Mauerbau. Es ist die bleierne Zeit der 60er Jahre. Frauen hatten hinterm Herd zu stehen und kümmerten sich um die Familie. Künstlerinnen waren zu der Zeit fremde Wesen, die es zu domestizieren galt. Diese Aufgabe übernimmt die zukünftige Schwiegermutter. All das ahnt Bernadette nach der ersten Begegnung mit der Familie von Karl. Und doch gibt sie schließlich seinem Werben nach und heiratet ihn. So ist sie versorgt. Der Preis für diese Rundum-Versorgung: ihre Kreativität erlahmt zusehends.

Der Weg zum Schriftsteller ist steinig

Ihr Sohn Jakob – der schon vor der Einschulung lesen konnte – ist ein Versager in der Schule. Langsam findet er aus seiner Erstarrung heraus und holt das Abitur nach. Später schließt er sogar erfolgreich ein Studium ab. Aber dann schlägt er alle Erwartungen vom väterlichen Teil der Familie an eine akademische Karriere in den Wind und wird Schriftsteller. Das alles erfahren wir im Teil II des Romans. Seine Mutter Bernadette war vor ihrer Heirat eine erfolgreiche Künstlerin. Ihr Sohn Jakob wird nie ein erfolgreicher Schriftsteller. Ablehnungsschreiben von Verlagen, heftet er in sieben dicken Leitzordnern ab:

„Rekordhalter der Nicht-Veröffentlichung… Die Verlage und er arbeiteten bereits unter Hochdruck am achten Ordner. Fast jedes Jahr kommt ein neuer hinzu.“

Erst als er auf einen bulgarischen Verleger trifft, der in Bulgarien mit einem Publikationsverbot belegt ist, kann er einen ersten Roman veröffentlichen. Beides Fremde: Jakob ein Fremder in der Verlagswelt und ein bulgarischer Verleger, der Bücher in deutscher Sprache verlegt.

Im Teil II setzt sich Zelters feiner Humor verstärkt durch

Der erste Teil des Buches über die Malerin Bernadette und ihr Weg in die Krankheit ist geprägt von Verzweiflung. Im zweiten Teil, in dem es um Jakob geht, scheint die feine Ironie und zugleich der epische Ernst des Autors Joachim Zelters auf. Diese feine Ironie prägt die Erzählungen des promovierten Tübinger Autors.

Der Roman weist Parallelen zum Leben Joachim Zelters auf. In allen Werken von Zelter geht es immer auch um Zelter selbst. Vielleicht ist es in Staffellauf nur besonders deutlich, so man die Biografie des Autors kennt.

In seinen vorherigen Romanen bearbeitete er Lebensereignisse eher mit den Mitteln der Phantasie, wendete sie ins Phantastische, Absurde, hat gefälscht und verdreht, wie er selbst in einem Interview zugibt. Staffellauf ist auch ein Lauf in sein Inneres. Es ist der Versuch, sehr direkt und ungeschminkt Schmerzhaftes zu erzählen. Damit ist Joachim Zelter ein großes Risiko eingegangen. Am Ende des Romans wird man den Autor Zelter besser verstehen und man wird ihn dafür lieben.

Ein guter Verleger glaubt an seinen Autor

Das Buch ist aber auch eine Hommage an alle Verleger, die ihren Autoren treu bleiben. Die an sie glauben, auch wenn der große Erfolg ausbleibt. Bei Zelter wird das Buch eine Liebeserklärung an seinen Verleger Hubert Klöpfer, der seit Jahrzehnten diesen oft verkannten Autor immer wieder veröffentlicht. Staffellauf erscheint in der Edition Klöpfer, die ihre Heimat beim Kröner Verlag gefunden hat.

Diese Besprechung erschien zuerst auf dem Blog Elsternest von Michael Seehoff.

Joachim Zelter: Staffellauf. 184 S., Edition Klöpfer im Kröner Verlag, ISBN 978-3-520-76609-0. ET: 20.8.2024.
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